Notizen zur Aquarellkunst von Eugen Batz
Dieter Hoffmann

(aus: Eugen Batz. 1905-1986. Zum 100. Geburtstag. Gemälde und Aquarelle. Ausst.-Kat. Von der Heydt-Museum, Wuppertal, hg. Von Sabine Fehlemann, mit Beiträgen von Antje Birthälmer, Beate Eickhoff und Dieter Hoffmann, 2005.)

Sein verehrter Lehrer am Bauhaus und an der Düsseldorfer Akademie, Paul Klee, urteilte 1932 in einem Brief: Batz schreitet immerzu fort, er hat sehr viel verschiedenartige Dinge gemacht, jedes in seiner Art gut.“ Er hat gemalt und gezeichnet, radiert, photographiert und Plastik gemacht, auch Schmuck für seine Frau, er hat ein Haus gebaut und seinen Garten angelegt. Ein Bauhaus Künstler durch und durch. Sein Werk kommt vom Bauhaus her, geht vom Bauhaus aus. Es ist wohl gemerkt zu unterscheiden: Von einem Bauhaus, das sich als ein Hort des Handwerks verstand, nicht von jenem, das sich der Industriekultur verschrieb, als das es heute einseitig gesehen wird. In allem, was er tat, setzte Engen Batz auf Traditionen. (Im Alter hat er sich eine inspirierende Sammlung hellenistischer Kleinkunst angelegt) Nicht alles aber, was seine Kunst beförderte, ist zurückzuführen auf Klee; die Vorkurse des Bauhauses dürften tiefe Spuren hinterlassen haben, und die wurden von Johannes Itten geleitet. Vieles, was sich später bei Heerscharen von Epigonen, die nicht zeichnen konnten, als freie Kunst gefiel, ist nichts als angewandter Vorkurs, verselbständigtes Hantieren mit Strukturen.

Auch Batz hat sich zeitweilig der Erkundung rein der Struktur, der Struktur an und für sich, hingegeben. Vielleicht wollte er der Schönheit seiner abstrakten Garten-Bilder ein Moment rauher Wirklichkeit an die Seite stellen, als auch er mit Sand und Asche umging. Ähnliches hatten die Dadaisten begonnen und Batz‘ jüngere Zeitgenossen Antoni Tàpies und Karl Fred Dahmen ausgebildet; der jetzt sechzigjährige Anselm Kiefer pflegt dergleichen bis in die unmittelbare Gegenwart. Josef Hegenbarth verwendet mit Vorliebe Papiere, von denen er Ergebnisse, die ihm misslungen schienen, mit der Wurzelbürste abgeschrubbt hatte: Aus Ökonomie entstand Reiz.

Zwei große Strömungen des Informel in den fünfziger und sechziger Jahren indes konnten sich auf zwei einander ganz entgegengesetzte Quellen berufen: den extrovertierten Jackson Pollock und den introvertierten Wols. Aber das wäre zu wenig. Das Pointillistische, Musivische, das Puzzle, sollte als ein dritter Quell fixiert werden, aus dem viele tranken, auch Eugen Batz. (Es ist vielleicht aufschlussreich, einmal wieder daran zu erinnern, dass während des Zweiten Weltkrieges, also zeitgleich mit Pollock in New York und Wols in Paris, gerade in Wuppertal, in der Lackfabrik von Dr. Kurt Herberts, der Stuttgarter Willi Baumeister mit Träufelbildern informell experimentiert hat. Nur hat er das nicht als Erfindungen heraus gestellt.)

Wenn wir die Genealogie ernst nehmen, finden wir, dass Itten selbst in Stuttgart Schüler Adolf Hölzels war. Längst ist nicht mehr bezweifelt, dass Hölzel, Lehrer Schlemmers, Baumeisters, Max Ackermanns und vieler anderer, mit Klee und Kandinsky zu den Begründern der gegenstandsfreien Malerei gehört. Am Rande bemerkt: Als Hölzel aus dem Stuttgarter Lehramt schied, bemühten sich seine Schüler, Paul Klee als dessen Nachfolger zu gewinnen. Charakteristisch für Hölzel ist der oben genannte musivische Stil, wie er zur Zeit der Jahrhundertwende auf andere Weise auch von Gustav Klimt, Augusto Giacometti und Otto Freundlich gepflegt wurde, später hei Serge Poliakoff und Roger Bissière. In diesen Traditionen, unter anderen, sollte Eugen Batz gesehen werden.

Das „Mosaik“ bleibt eine seiner Besonderheiten, seit den ersten reifen Aquarellen aus dem südfranzösischen Collioure, dem Emigrationsversuch 1933, und bindet ihn von da an unauslöschlich in die Kunstgeschichte ein. Dieser kunstgeschwängerte Küstenort, von namhaften Künstlern geradezu durchsetzt, forderte ihn insgeheim zu konkurrierenden Leistungen. Jene Blatter sind von kultivierter malerischer Süße, wie sie auch die ersten Arbeiten nach Kriegsende und Befreiung auszeichnet.

Die Zeit der Diktatur und des Krieges, der Inneren Emigration, war für Batz dann eine des Rückzugs in die Stille, er zeichnete nur noch, zumeist Landschaften der heimischen Umgebung, kleine asketische Formate, Bleistift und Silberstift. Erst - und immer wieder - der eigene Garten mit Blumen und Kräutern, dann bald die allmählichen Möglichkeiten zu Reisen ins Ausland bescherten dem Künstler, der nun auf der Höhe seines Lebens stand, eine reiche Aquarell-Ausbeute. Dass er dennoch nicht für den Handel produzierte, gibt den Arbeiten eine wertvolle Aura.

Das blumistische Interesse hat Eugen Batz wiederum mit einem Künstler des Neo- Impressionismus gemein, dem Berliner Curt Hermann, Freund Henry van de Veldes und glücklicher Bewohner des Parkes seiner Schwiegereltern, Schloss Pretzfeld in Franken. Hermann verflüssigte das Blühen geradezu, vorweggenommener Sam Francis – wieder eine andere Spielart des Informel.

Wiederholt ist hier vom „Informel“ die Rede. Strenggenommen hat das Informel, das Formfreie, die weitestgetriebene Abstraktion, bei Batz nur ephemere Bedeutung, zumeist war seine Bildthematik nachvollziehbar intendiert. Gewiss, er gestattete sich auch den Automatismus des Traums. Aber mehr gilt für ihn, wie es einmal der nachexpressionistische Landschafter Erich Heckel – oder einer seiner Gewährsleute – treffend gesagt hat: Man spüre jeweils unter der Oberfläche seiner verschiedenen Gegenden den geologisch bestimmbaren Grund, ob vulkanisches Gestein oder Kalkboden und so weiter.

Batz legte mit seinen Aquarellen aus fremden Ländern, Schweiz, Tessin, Frankreich, Italien, Spanien, Griechenland, Türkei, Tunesien einen regelrechten Thesaurus an, verwahrte die Blätter in Kassetten-Rücken je mit einem Fähnchen des betreffenden Landes. Er bevorzugte einheitliches Format, gelegentlich größer, lieber aber kleiner bis zur Miniatur.

Es gab in Deutschland nach 1945 nur noch einen Male r, der so entschieden die diversen Landschaftseindrücke suchte und sich seinem Willen, diese zu gewinnen, hergab: Ernst Wilhelm Nay. Mit dem Unterschied, dass Nay vermögender war und von spontanerem Temperament. Auf prüfbare Lokalisierung der Landschaft kam es Nay dabei nicht an, seine Kunst hatte gegenstandsfrei absolut zu sein.

Absolut war Batz in eben der Lokalisierung. Er hat einmal eine wunderbare Antwort gegeben, auf die Frage um ein Aquarell aus Ischia: Ist das nun konkret oder abstrakt?“ sagte er: „Das ist Ischia.“ Batz‘ Zeichnungen und Aquarelle dieser süditalienischen Vulkaninsel sind „tuff“, wie das Gestein. Sie laden ein, zwischen den Klüften und den Serpentinen mit dem Auge spazieren zu gehen, und man hat die backende Wärme des Steins, der die Sonne zurückstrahlt, die frischen Luftzüge aus dem Gezweig, das Meer, aus dem alles aufragt. Also bei aller Abstraktion, auch bei aller Altmeisterlichkeit in der Feinheit der Ausführung, Qualitäten, die eigentlich Qualitäten des Impressionismus sind.
Ein Zeitgenosse van Batz und Nay, zum Exempel Bernard Schultze, imaginierte seine Aquarelle in einem ortlosen Traumreich, einem romantisch wuchernden Wald, von dem man nicht sagen kann, wo er sei. - Das Halbabstrakte, wenn wir es denn einmal so nennen wollen, oder Halb- Informelle, hat Batz mit zwei Dresdnern gemein, mit Helmut Schmidt-Kirstein (1909 -1985) und dem jüngeren Max Uhlig (geb. 1937); beide haben ihre Landschaftsaquarelle jeweils genau verortet.

In größerem Zusammenhang der Kunstgeschichte, umfassenderen Zeiträumen, wäre zu Batz’ Vorgängern auch William Turner zu zählen., der den verschiedensten Landschaften nachjagte – Thamse und Rhein, Venedig und Bodensee – und sie alle in dem ihnen ihn eigenen Dunstkreis sah.
Das Erlebnis der spanischen Landschaft, zum Beispiel, ist bei Eugen Batz ein tektonisches; auch gestattet es kubische Elemente einzubringen. Traf er die Landschaft so menschenleer an, wie er sie widergab, oder sollte die Abkehr vom Menschenbild ein Ausdruck der „Moderne“ sein? In den Griechenland-Aquarellen hat der Mensch Zutritt, er ist in kleinen Gruppen mit Fels und Meer verwoben. Intensiver noch nimmt Batz den Menschen ins Spätwerk der Tuenesien-Aquarelle auf, die er 1976, als Einundsiebzigjähriger begann und alljährlich wiederholte.

Als wollte er die berühmte Tunis-Reise von Klee, August Macke und Louis Moilliet von 1914 wiederholen, den teppichschönen Orient der Kairuan-Serie. Ihm offenbaren sich im zehrenden Licht der Wüste Farben wie sie André Gide in seinem Tagebuch notiert hat, und doch gebrochenere als bei diesen Malern und diesem Dichter. Die Höhlen und Bazare werden von Vergänglichkeit überschleiert. Nur manchmal „erblühen“ die Figurengruppen wie Blumensträuße: ein neuer Orientalismus, der an jenen des 19. Jahrhunderts anknüpft, für den als berühmtester Name Eugen Delacoroix steht. Ist es das nahende Alter mit dem erahnten Tod, das ein bei Batz bisher kaum gekanntes erotisches Moment in die Bilder bringt? Ein Blick auf Verlorenes? Vereint mit Sakralem. Solche „Inhalte“ geben dem Spätwerk seinen expliziten Wert.

In den Gemälden und in den Aquarellen aus Tunesien zeigen sich dem Betrachter auch alte Ruinen. Eine Erinnerung an die Frühzeit mag da wachgeworden sein. Batz hatte 1932 eine Radierung mit dem Titel „Ruine“ gemacht, ein Blatt, das Werner Haftmann nach dem Krieg in das Mappenwerk der Bremer Galerie Hertz aufgenommen hat. Es lässt sich nicht sagen, ob dies Runie reine Phantasie war, oder vom Landschaftspark Wörlitz – mit seinen künstlichen Ruinen – angeregt wurde. Es darf aber vermutet werden, dass Batz etwas von der Rokokozärtlichkeit der Dessauer Parklandschaft in sich aufgenommen hat, das ihm zuletzt noch in der einst römisch beherrschten Welt Nordafrikas zugute kam. Auf jeden Fall ist es bemerkenswert, wie sich Ruinen, als aufgelöste, poröse Architektur, in den Kosmos des „Informellen“ einpassen.

Batz verwendete gern kostbaren Büttenkarton, gewissermaßen eine prästabilierte Struktur. Aber er verstand es auch, mindere Papiere zu adeln, machte daraus sogenannte gestrichene Papiere, deren kalkiger Grund den Aquarellen gelegentlich etwas von Freskomalerei verleiht. Er verdünnte Gouache, dass sie wie Aquarell wirkt, nur stumpfer. Gern legte er sparsam Graphit oder sogar Kugelschreiber an, höhte mit Weiß. Er setzte auf die Grisaille gern Flecken als farbig Akzente, Flecken, die den gerinnenden Trockenprozess ablesen lassen. Flecken – da haben wir es wieder: „la tache“, der Fleck, der dem Tachismus den Namen gab, dem Tachismus, welcher in der Kampfzeit oft als Synonym für „Informel“ benutzt wurde. Auch aquarellierte Eugen Batz Manchmal auf Photopapier, eigentlich ein widriges Material, das aber unter den Händen dieses Künstlers wie Perlmutt zu schimmern vermag.

Welche Verschiedenheit, welcher Reichtum der Kunst! Im Jahr 1905, dem Todesjahr Adol Menzels, dem Gründungsjahr der ‚Brücke’, wurden in Deutschland Künstler geboren, die höchst verschiedene Wege gingen: Der neuklassische Bildhauer Hermann Blumenthal, der Realist – Impressionist – Expressionist – Ernst Hassebrauk, die „Abstrakten“ Fritz Winter und Eugen Batz ... Ein pluarlistisches Jahrhundert.

Es sind um Batz viele Namen genannt worden, und viele wäre noch zu nennen, das schmälert ihn nicht im geringsten – im Gegenteil, reiht ihn einen bedeutenden Kanon der Kunst seiner Zeit.

Der Autor dieses Beitrages ist Verfasser der Monographie Eugen Batz. Leben und Werk, herausgegeben von Johannes Doebele, Belser Verlag, Stuttgart und Zuerich, 1984